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Schneckenalarm! 

Leonie sitzt am Küchentisch und hilft ihrer Mama beim Erbsenauslesen. "Das ist so langweilig", sagt sie nach einer Weile. 

"Du hast ja erst drei Schoten ausgelesen, Leonie", meint Mama. "Schau mal, wie viel da noch zu machen ist!"

Leonie blickt auf den Berg Erbsenschoten und zuckt die Achseln. "Ich mag nicht mehr. Ich geh' lieber in den Garten."

"Das ist auch eine gute Idee. Ich muss ohnehin noch Salat holen. Gehen wir. Los, komm!" 

"Nelli auch", quiekt es unter dem Küchentisch hinter einer dicken Wolldecke hervor. 

Nelli steckt ihren Kopf aus ihrem Deckenhaus und lacht.

"Ja natürlich, Nelli! Du kannst auch mitkommen", sagt Mama und geht mit einer großen Schüssel voran.

 

Im Garten hinter dem Haus stehen zwei Hochbeete, auf denen Salate, Karotten, Petersilie, Tomaten und Radieschen wachsen. So kurze Zeit nach Ostern sind die Tomatenpflanzen noch recht klein. Auch von den Karotten ist noch nicht viel zu sehen außer ein paar grün gefiederten Blättern. Nur der Salat und die Radieschen sind schon zum Ernten. Und der Spinat. Aber der schmeckt Leonie nicht. 

Leonie zieht drei Radieschen aus dem Beet und wäscht die Erde unter der Wasserleitung im Garten ab. Dann steckt sie ein Radieschen in den eigenen Mund, das zweite in den Mund ihrer Mama, und das dritte will sie Nelli geben. 

Doch die ist wieder einmal verschwunden. Aha! Der große Fliederstrauch bewegt seine Zweige, obwohl kein Wind geht. Wahrscheinlich ist sie dahinter gekrabbelt. 

"Magst du ein Radieschen, Nelli?", fragt Leonie den Fliederstrauch. Doch der sagt nichts. Deshalb kriecht sie auf den Knien durch die Zweige, um ihre Schwester zu suchen. 

Da sitzt Nelli und betrachtet etwas in ihrer Hand. "Was ist das?", fragt Leonie neugierig und kommt näher.

"Scheke", gluckst Nelli begeistert und hält ihr eine große braune Weinbergschnecke vor die Nase.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Leonie fährt zurück, als hätte sie ein Monster gesehen und kriecht schleunigst wieder rücklings aus dem Fliederstrauch hinaus. "Pfui, Nelli!", ruft sie. "Schnecken sind gatschig, matschig, glitschig und grauslich! Gib sie weg!" Sie schüttelt sich wie ein Hund, der im Wasser gewesen ist, und läuft zu ihrer Mama zurück.

Nelli lacht. Sie kommt nun auch aus dem Fliederbusch hervor, immer noch die Schnecke in der kleinen Faust.

"Scheke muss essen", erklärt sie ihrer Mama und setzt das Schneckenhaus mitten auf einen Salatkopf. 

"Nein, Nelli", lacht Mama. "Das ist gar keine gute Idee. Den Salat habe ich für uns gepflanzt, nicht für die Schnecke. Setze sie bitte wieder in die Wiese oder dorthin, wo du sie gefunden hast." 

Nelli schüttelt den Kopf. 

 

Mama nimmt die Schnecke aus dem Beet und drückt sie Nelli in die Hand. 

"Nicht in den Salat, Nelli", sagt sie ernst. "Lass sie anderswo fressen."

Nelli zieht einen Schmollmund und geht mit der kleinen Schnecke zum nächsten Beet mit den Karotten. 

Mama schüttelt den Kopf. "Auch nicht zu den Karotten. Überhaupt nicht ins Gemüse", sagt sie  ernst.

Mit gesenktem Kopf schleicht Nelli mit ihrer Schnecke wieder zum Fliederstrauch.

Leonie sieht der enttäuschten Nelli nach. Mit einem Mal tut sie ihr leid. Vielleicht hat Nelli recht und die Schnecke ist wirklich hungrig. Sie mag zwar keine Schnecken, vor allem, weil sie kein weiches Fell wie ihre Kaninchen haben, aber sie ist auch ein Tier. Plötzlich hat sie wieder eine Idee. 

 

"Nelli, mir ist etwas eingefallen!", ruft sie ihrer Schwester zu. "Wir machen der Schnecke ein eigenes Beet. Mit ihrem eigenen Salat!"

Nelli ist sofort begeistert und macht sich mit Leonie an die Arbeit. Die Schnecke steckt sie einstweilen in einen roten Plastikkübel, den sie sonst zum Sandspielen verwendet. Dann hilft sie Leonie beim Bauen eines Schneckenbeetes. 

Neben dem Schuppen liegen leere Blumenkisten und Blumenerde. Leonie hat ihrer Mama schon oft zugesehen, wie sie die Erde in Blumentöpfe gefüllt hat. Sie nimmt eine kleine Schaufel und 

beginnt Erde in die Blumenkisten zu füllen. Nelli hilft ihr dabei. Es ist ziemlich anstrengend, aber nach einiger Zeit ist die erste Kiste fast voll. "Puuh, jetzt sind wir fertig!", sagt Leonie und fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn, so wie ihre Mama das immer macht, wenn sie schwer arbeitet. "Jetzt füllen wir die zweite auch noch an." 

Danach stellen sie die beiden vollen Blumenkisten dicht nebeneinander hin, dass es aussieht wie ein großes Beet und legen ein paar Steine hinein. 

 

"Damit sich die Schnecken auf den Steinen ausruhen können", erklärt Leonie. Nelli nickt. 

Leonie holt eine kleine Schüssel aus dem Haus, füllt sie mit Wasser und stellt sie zwischen die Steine. "Und hier können sie trinken", sagt sie. Dann betrachtet sie stolz ihr Werk. 

Nelli setzt die Schnecke auf einen Stein. Doch anstatt sich festzusaugen kullert sie herunter, weil sie sich ganz in ihr Haus verkrochen hat. 

"Vielleicht können wir sie mit Salat aus ihrem Schneckenhaus locken", sagt Leonie. "Ich frage Mama, ob wir ein paar Blätter haben dürfen". 

Sie läuft ins Haus, wo Mama bereits den Salat wäscht und die Kräuter schneidet.

"Du kannst schon ein paar Salatblätter haben. Aber ich bin nicht sicher, ob dein Plan funktionieren wird", sagt Mama. 

Leonie nickt heftig mit dem Kopf. "Doch, wird er!" 

Und schon ist sie wieder draußen beim Hochbeet. Vorsichtig zupft sie von jedem Salatkopf in Mamas Beet ein Blatt ab und legt es in die Blumenkisten. Nelli ist schon wieder verschwunden. Dieses Mal krabbelt sie hinter dem Schuppen herum und sucht weitere Schnecken.

Leonie zieht noch mal ein Radieschen aus der Erde. Das Radieschen isst sie selbst und die grünen Blätter legt sie in das neue Schneckenbeet. 

Da kommt auch schon Nelli. Sie hat sich ihre Hosentaschen mit Schnecken angefüllt. Neun Stück hat sie gefunden. Die setzt sie alle zwischen die Steine. Dann geht sie wieder auf Schneckensuche. Beim Komposthaufen findet sie ein paar Nacktschnecken. Die steckt sie alle in ihren kleinen Kübel, wo sie sich verschreckt zusammenrollen. Danach kippt sie die Nacktschnecken in ihr neues Zuhause und wartet, dass sie sich wieder aufrollen und zu fressen beginnen. Doch nur einige von ihnen sind so mutig und strecken sich aus. Aber nur, um schnell unter den Steinen zu verschwinden. Die anderen bleiben zusammengerollt und reglos zwischen den Blättern liegen.  

Danach sitzen Leonie und Nelli müde und stolz vor ihrem Schneckenbeet und starren auf ihr Werk. Alles sieht toll aus. Die Blumenkisten sind voller Erde, die Schnecken liegen verstreut auf den Steinen oder im Salat und das Schüsselchen enthält frisches Wasser. Doch die Schnecken scheinen das alles gar nicht zu sehen und zu würdigen.

"Das ist langweilig", sagt Leonie nach einer Weile. "Komm, gehen wir spielen. Wir kommen später wieder her."

 

 

An diesem Nachmittag fährt Familie Winter zu Oma und Opa. Deshalb können Leonie und Nelli erst am nächsten Tag wieder in den Garten nach ihrem Schneckenbeet schauen. Da Samstag ist, hat Willi schulfrei. Er ist neugierig und geht mit den beiden hinaus in den Garten.

Doch was ist das? Kein einziges Tier ist zu sehen und die Salatblätter verdorren in der Sonne. 

"Wo sind denn eure Schnecken?", fragt Willi und grinst. "Ist doch klar, das die nicht hier geblieben sind."

Leonie verzieht das Gesicht und Nelli macht wieder ihren Schmollmund. "Scheken!", schluchzt sie. 

Auch Mama ist in den Garten gekommen, um sich das Schneckenbeet anzusehen. Als sie an ihrem Salatbeet vorbeikommt und einen Blick hineinwirft, bleibt sie wie angewurzelt stehen und reißt die Augen auf.

"Oh nein!", ruft sie aus und stürzt zu ihrem Hochbeet. 

Als die Kinder ihre Mama so erschrocken sehen, erschrecken sie auch und laufen schnell zu ihr.

"Was ist los, Mama?", ruft Leonie und macht große Kulleraugen, als sie sieht, was Mama gereade gesehen hat. Damit Nelli auch in das Hochbeet sehen kann, hebt Willi sie hoch. 

 

Alle Schnecken, die Nelli so fleißig eingesammelt hat, sitzen auf Mamas Salatköpfen und knabbern an den saftigen, grünen Blättern.

"Scheken!", ruft Nelli entzückt und klatscht in die Hände.

Mama sieht Nelli an. 

"Das ist nicht lustig, Nelli. Von unserem schönen Salat ist ja kaum etwas übrig geblieben. Und sieh dir nur die Petersilie an. Die ist völlig zerfleddert!"

"Iiih, diese schleimigen Spuren überall auf den Blättern und auf dem Boden!" Leonie schüttelt sich. Sie findet Schnecken immer noch ein bisschen eklig.

Willi schüttelt den Kopf. "Wieso sind sie hierher gelaufen?"

Mama zuckt die Schultern. "Ich weiß es nicht. Vielleicht haben sie gemerkt, dass es in diesem Beet frisches Gemüse gibt und nicht nur abgezupfte Blätter."

"Aber das war soo viel Arbeit", murrt Leonie und sieht zu ihrem selbstgebauten Schneckenbeet hinüber. 

"Egal, wie und warum diese Schnecken hier angelangt sind. Ich will, dass ihr sie schnell wieder einsammelt. Ich werde noch heute mit eurem Papa einen Schneckenzaun um das Hochbeet bauen. Das ist sicher."

Leonie will die Schnecken nicht einsammeln. Das soll Nelli machen. Sie läuft zur Sandkiste und bringt Nelli das rote Kübelchen.  

Und Nelli ist überglücklich. Während Willi sie hält, sammelt sie flink alle Schnecken von den Blättern und Stängeln und erwischt sie sogar, bevor sie in der Erde verschwinden.

Endlich ist das Beet befreit von der Schneckenplage. 

 

"Und jetzt? Was machen wir jetzt mit ihnen?", fragt Leonie. 

"Jetzt lasst ihr sie frei oder setzt sie meinetwegen wieder in euer Schneckenbeet. Schnecken wandern am liebsten in der Nacht und suchen kleine oder schwache Pflanzen zum Fressen. Sie sind keine Kaninchen oder Meerschweinchen, die ihr mit gepflücktem Salat füttern könnt", erklärt Papa, der nun auch dazu gekommen ist.

Leonie zieht die Schultern hoch. "Schaaade", sagt sie und erklärt Nelli, dass sie die Schnecken am besten wieder in ihr Schneckenbeet zurücksetzen soll. 

"Ich werde heute noch den Schneckenzaun anbringen, der schon seit einer Woche im Schuppen liegt. Ich wusste nicht, dass eure Mutter so gutes Gemüse anpflanzt, dass es alle Schnecken der Umgebung anlockt", fügt er hinzu und zwinkert. 

"Ich helfe mit!", ruft Leonie. 

Willi und Nelli wollen auch mitmachen. 

Und so wie Papa versprochen hat, bauen sie noch am selben Nachmittag einen Schneckenzaun um das Hochbeet. So können sie zwar die Holzwand hochkraxeln, aber nicht in das Beet hinein.

 

Am nächsten Morgen laufen die Kinder in den Garten, um nach den Schnecken zu schauen. 

Im Mamas Salatbeet sind keine. 

"Das ist schon mal gut", erklärt Willi.

"Aber da sind auch keine mehr", meint Leonie und kichert, als sie zum Schneckenbeet schaut. 

"Nelli? Nelli, wo bist du?"

Leonie und Willi schauen sich um. Nelli kümmert sich anscheinend nicht mehr um das Schneckenbeet. Sie ist schon wieder verschwunden. 

"Da kommt sie ja", ruft Leonie und zeigt auf ihre kleine Schwester, die dieses Mal aus dem Rosenbusch hervorkriecht. Sie lacht über das ganze Gesicht und hält etwas in ihren beiden Händen. 

 

"Hast du wieder eine Schnecke gefunden?", fragt Leonie und beugt sich zu Nelli.

Nelli schüttelt den Kopf und öffnet ihre Hand. 

"Iiiihhh!", schreit Leonie auf und macht einen Satz nach hinten. "Gib das weg! Ich mag keine Käfern!" 

Auf Nellis Hand sitzt ein großer, dicker, schwarzer Käfer mit glänzenden Flügeln und langen Fühlern.

Willi steht daneben und lacht. "Und jetzt? Baut ihr einen Käfig für den Käfer?"

Leonie schüttelt den Kopf. "Gar nichts werde ich bauen. Ich habe genug von Nellis Schnecken und Käfer. Ich gehe lieber in die Küche und schau, ob ich Mama helfen kann."

"Das ist eine gute Idee", meint Willi. "Da freut sich Mama sicher. Ich gehe einstweilen mit Nelli schaukeln, aber nur, wenn sie den Käfer wieder freilässt."

Nelli schaut den Käfer an und überlegt. Dann setzt sie ihn auf die Wiese, winkt ihm zu und nimmt Willi an der Hand. "Schauken", sagt sie bestimmt und zieht ihren großen Bruder zur Schaukel. 

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