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Aktualisiert: 13. Jan. 2018





Gefühle haben in unserem Alltag nichts verloren. Sie stören uns, sind uns im Weg und werden deshalb unter den Teppich gekehrt, sprich in unser Unterbewusstsein verschoben. Leidvolle und glückliche Momente werden gleichermaßen unterdrückt - da machen wir keine allzu großen Unterschiede, denn als Erwachsener sollten wir weder wegen jeder Kleinigkeit weinen noch wegen jeder Bagatelle Jubelschreie loslassen.

Dank Internet dürfen wir kleine Emoticons in die Welt setzen. Ein Smiley mit Herzchen am Handy als Ersatz für wahre Lebensfreude? Das ist traurig :-(



Heute früh habe ich das Wort Kalbspariser gehört und gleich traten Tränen in meine Augen. Ich sah das Kalb vor mir mit seinen großen Augen und den wirbeligen Locken auf der Stirn. So ein wunderbares Tier kann man doch nicht töten, um Wurst daraus zu machen? Wer macht so etwas? Wie viel Gefühl muss man in sich abtöten, um ohne Gewissensbisse diese Wurst essen zu können?

Erscheint nicht bei jedem Menschen gleich ein Bild eines Kalbes, wenn man das Wort hört? Wie kommt es, dass Menschen so schnell ihr Mitgefühl verlieren, wenn es um ihre eigene Lust, ihre eigene Bequemlichkeit geht?


In welchem Alter verlieren wir den Bezug zur emotionalen Realität? Ein Kalb ist ein lebendiges Wesen, genauso wie ein Schwein oder ein Reh, ein Pferd oder ein Lamm. Wie kommt es, dass wir glauben, es wäre normal, diese Tiere zu züchten, zu schlachten und zu essen?

Wie kommt es, dass wir unseren Kindern Bilderbücher mit Lämmern, Ferkeln und anderen Tieren auf dem Bauernhof zeigen und uns daran erfreuen, wenn das kleine Kind voller Freude auf die Bilder zeigt - und ihnen dann das Fleisch dieser Tiere im Gläschen servieren? Biologisch natürlich, denn das Fleisch von glücklichen Tieren schmeckt besser. Wie pervers und grotesk ist das alles?


Warum nehmen wir das Gefühl der Freude am lebendigen Tier nicht ernst? Es ist reine Lebensfreude, sich am lebendigen Wesen zu erfreuen. Wir freuen uns, wenn wir die Vögel singen hören, wenn wir ein Pferd laufen sehen und ein Reh im Wald mit seinem Kitz sehen.


Die Freude am Essen dieser Tiere läuft über eine Schiene, die wir nicht bewusst wahrnehmen. Denn wenn wir Tiere essen, töten wir die Freude am lebendigen Tier ab. Wir drehen etwas in uns um. Wir verlieren ein großes Stück Mitgefühl.

Wir können uns nicht gleichzeitig am lebendigen Wesen erfreuen und uns am Schlachten und Essen ergötzen.

Die Freude an einem lebendigen Wesen hat eine hohe Schwingung und nährt uns. Wenn wir dem kleinen Kind zeigen würden, wie das nette Lamm geschlachtet wird, würde es weinen und Albträume bekommen. Um das Kind zu schützen, wird das in Bilderbüchern tunlichst nicht gezeigt.


Unser Verstand weiß aber, dass diese Kreaturen, die von unseren Kindern so geliebt werden und die wir als Kind auch geliebt haben, oft entsetzlich leiden müssen bevor sie geschlachtet werden. Unser Unterbewusstes ist ja nicht blöd. Kein Tier zerstückelt sich allein und springt als Kalbspariser fein aufgeschnitten in die Plastikverpackung.

Wir wissen, welches Leid wir den Tieren antun. Etwas in uns fühlt noch den Ekel und Grausen vor dem Töten und fühlt mit den Tieren mit. Etwas in uns (das kleine Kind) fühlt Schmerzen, weil diese Tiere getötet werden. Etwas in uns fühlt Wut auf die Menschen, die Tiere töten und Wut auf jene Menschen, die unsere Lebensfreude so rasch vernichten.

Das ist unser wahres Gefühl. Und diese Wut, diese Traurigkeit und diese Täuschung gären langsam in unserem Körper und machen uns krank.

Wir hüten uns davor, Zugang zu unseren Gefühlen zu erhalten, weil es bedeutet, dass wir so vielen inneren Widersprüchen begegnen würden und verstecken uns hinter Rechtfertigungen, die uns unser Verstand suggeriert.


Der gesamte Erziehungsprozess ist ein Prozess des Gefühleabtötens, bzw. des Verschiebens eines Weltbildes. Das kleine Kind fühlt sich verbunden mit der Welt und allen Wesen. Wir nennen diesen Zustand auch animistisch, weil das Kind alle Wesen als beseelt und lebendig wahrnimmt. Es drückt seine Gefühle direkt aus. Es lernt im Laufe seines Lebens, dass dieses Verhalten unerwünscht und kindisch ist. Von allein würde es nicht auf die Idee kommen, seine Gefühle zu zügeln - das wird ihm von den Erwachsenen antrainiert.

Warum? Weil die meisten Erwachsenen selbst ihre eigene Lebensfreude so unterdrückt haben, dass sie sich mit einem halben Leben begnügen.


Unser Unterbewusstes erinnert sich jedoch noch an die früheste Kindheit, als wir ermutigt wurden, laufen und sprechen zu lernen, als man uns noch viel Zuwendung entgegenbrachte und uns ermunterte, Purzelbäume zu schlagen und vor Freude in die Hände zu klatschen, als man uns kitzelte und hochhob, bis wir lachten und jauchzten.

Wie oft jauchzen wir noch? Wie oft lachen wir noch?


Wundert sich jetzt noch irgendjemand, dass unsere Welt aussieht, wie sie aussieht?

Unser Verstand und das Abtöten der Gefühle hat uns technische Errungenschaften gebracht, könnte man sagen. Doch wer wagt zu behaupten, dass Menschen, die sich ihre Gefühle bis ins Erwachsenenalter bewahrt haben, nicht auch technisch begabt sein können? Gefühle und Verstand müssen einander nicht ausschließen. Doch würde es niemanden, der nur einen Hauch wahres Mitgefühl hat, einfallen, eine Tötungsmaschine zu erfinden - weder für Menschen noch für Tiere.


Menschen, die sich ihre Lebensfreude und ihr Staunen bewahrt haben, die noch weinen, wenn sich eine Fliege an einem Fiegenfänger verfangen hat und die Ameisen retten, die ins Wasser gefallen sind, weil sie fühlen, dass auch die Ameise ein Recht auf ein glückliches Leben hat - haben es nicht leicht in dieser kalten Welt. Doch sie haben genau so viel Verstand wie die anderen, die ihre Gefühlskälte oder ihren Zynismus zur Schau stellen und die sich selbst belügen, die nicht glauben, dass unser Leben von unseren verdrängten Gefühlen gesteuert wird, welche wesentlicher Bestandteil unserer Kindheit waren: Kindliche Freude wird zu kindischer Freude und authentisches Mitfühlen wird zu Gefühlsduselei, die Erkenntnis, dass alle Wesen beseelt sind, wird von ihnen zu animistischem Blödsinn verkehrt. Und alle, die noch echtes Mitgefühl und Lebensfreude zeigen, werden verurteilt.


Da die Mehrheit der Menschen emotionale Verletzungen in ihrer Kindheit erleiden mussten, hat die Mehrheit der Menschen ihr Mitgefühl und ihre Lebensfreude verbannt. Da es so viele sind - nämlich wirklich fast alle, glauben sie, dass sie richtig liegen... und dass sie Recht haben.


Wenn wir nicht beginnen, unsere emotionalen Verletzungen zu heilen und die Lebensfreude und echtes Mitgefühl mit allen Wesen zu empfinden, werden wir auch die nachfolgenden Generationen mit falschen Überzeugungen großziehen und sie belügen. Wir werden weiterhin unsere innere Disharmonie nicht erkennen oder wenn wir sie erkennen, als unwichtig abtun und uns auf die Disharmonien in der Außenwelt konzentrieren. Wir werden nicht erkennen, dass wir unsere eigenen kindlichen Ängste noch längst nicht überwunden haben und die Außenwelt für unser Schicksal verantwortlich machen. Wir werden weiterhin mit dem Finger auf alles zeigen, was anders oder fremd ist und mit dem Gewehr auf alles zielen, was sich bewegt.


Ich wünsche uns allen ein Aufwachen aus diesem Albtraum!

Und ich wünsche allen einen gefühlvollen und freudevollen Tag!



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